Niederwil: Klang- und Lichtspektakel der Extraklasse
20.01.2014 Freiamt, Kultur, Musik, Niederwil, Region Reusstal, VereineGute Musik lässt bei den Zuhörern Bilder im Kopf entstehen. Dies schaffte der Musikverein Niederwil (MVN) am Samstagabend und Sonntagnachmittag zweimal spielend. Es war ein veritables Spektakel fürs Ohr und Auge, das die 50 Musizierenden im Alter zwischen 14 und 70 Jahren in der gut besetzten Mehrzweckhalle mit grosser Leichtigkeit interpretierten. Die Frauenquote beim MVN liegt aktuell bei 46 Prozent und dies ist keine Selbstverständlichkeit, wurde doch der Verein vor 107 Jahren als reine «Boygroup» gegründet, wie der souveräne Moderator André Zimmermann erklärte. Der begnadete Erzähler hatte mit interessanten Erläuterungen massgeblichen Anteil daran, dass die durch die Klänge hervorgerufenen Bilder im Kopf noch besser Form annahmen. «Lichtspiel» – zu diesem Titel fallen einem Begriffe wie Theater, Cinema und eben auch Highlight ein, und zu einem solchen wurde das Jahreskonzert 2014 definitiv.
Wichtiger Säulenträger des MVN ist der junge, hochbegabte Dirigent Sandro Oldani, der den Verein nun seit sieben Jahren führt. «Wenn man das verflixte siebte Jahr übersteht, dann können es ruhig auch noch mehr werden», gab André Zimmermann der Hoffnung vieler Ausdruck.
Von fulminant bis melancholisch
Doch nun zum Konzertprogramm, welches aus Stücken von Komponisten
aus der halben Welt zusammengesetzt war. Nach dem fulminanten Auftakt mit «Spirals of Light» des Japaners Naoya Wada sorgte «Ameno» mit einem Trip ins düstere Mittelalter, schummrigen Laternen und gespenstischen Schatten für Staunen und Raunen im Publikum. «Nein, der Choral der Mönche war kein Playback, auch wenn viele Wetten darauf abgeschlossen wurden», kommentierte André Zimmermann die tolle Leistung.
Vollends zum gewaltigen Spektakel geriet «Die Hexe und die Heilige» von Steven Reineke. Man war hautnah dabei, wie die Hexe Sibylle aus Ellwangen (die Geschichte basiert auf einem Roman von Ulrike Schweikert) auf dem Scheiterhaufen stand. Echte Feuersäulen heizten dem Publikum in den vorderen Rängen tüchtig ein. «Was für ein Stück, was für ein Spektakel und welch grandiose Musik!», befand Zimmermann, und da kann man ihm nur recht geben. Deutlich ruhiger, ja fast schon melancholisch wurde es mit «Limelight» (Rampenlicht) von Charlie Chaplin. Zu den feinen Klängen war die Liebesgeschichte des alten Clowns Calvero und der jungen Variété-Tänzerin Terry auch in den Originalbildern auf Grossleinwand zu bestaunen.
Alles andere als ein Trauermarsch war die Hommage «Into the Light» von Jay Bocook. Es erinnert an eine junge hochbegabte und viel zu früh verstorbene High-School-Klarinettistin.
Bild- und tongewaltig ging es nach der Pause weiter. Nach «Cross-Fire» erkannte man im mit grossem Aufwand inszenierten «Indian Fire», weshalb der Schweizer Komponist Mario Bürki dafür eine Auszeichnung für die originellste Konzertkomposition gewann. Man muss das Stück mit Trommelwirbel und Lagerfeuer-Singsang aber zuerst einmal so hammermässig performen können wie der MVN.
Selbstredend, dass auch der Evergreen «Moonlight Serenade» (A Lovesong) und die «Rock- & Pop-Highlights» mit den vier Ohrwürmern «Whiter Shade of Pale», «Go West», «Rosanna» und «Gloria» grossartig gelangen. Da war es nur naheliegend, dass das Publikum mit dem abschliessenden «Chariots of Fire» von Vangelis – vorgetragen zusammen mit einigen Jungbläsern – noch nicht zufrieden war und durch grossen Applaus mit Erfolg «Lightning Fire» sowie den Marsch «Blue Light» einforderte. Eigentlich schwierig, das Jahreskonzert in Worte zu fassen; man müsste es fast gesehen haben. Man spürte die 4000 Probestunden (zehn pro Person) deutlich.