Bundesgericht entscheidet am Mittwoch, 27. November, über materielle Enteignung

Ende November tagt das Bundesgericht über die Beschwerde der Stadt Mellingen gegen einen Entscheid des Verwaltungsgerichts. Es geht um eine materielle Enteignung und um viel Geld.

Der juristische Streit dauert mittlerweile acht Jahre. Doch alles der Reihe nach. Im September 2016 genehmigte die Gemeindeversammlung Mellingen die Gesamtrevision der Bau- und Nutzungsordnung (BNO), die vom Regierungsrat im März 2018 gutgeheissen wurde. Seither ist im Reuss-Städtchen ein Rechtsstreit im Gange, der Gerichte und Anwälte über Mass beschäftigt. Beteiligt sind eine Grundeigentümerin und die Stadt Mellingen.
Die Grundeigentümerin verlangt von der Gemeinde eine Entschädigung in Millionenhöhe. Grund: Mit der Revision der Bau- und Nutzungsordnung zonte die Gemeindeversammlung zwei ihrer Parzellen von der Bauzone in die Landwirtschaftszone um. Bereits an der Gemeindeversammlung warnten besorgte Bürgerinnen und Bürger, dass eine Entschädigung und das Prozessrisiko nicht ausgeschlossen werden könne. Ein von der Mitte gestellter Rückweisungsantrag wurde von der Versammlung knapp abgelehnt.

Flächengleiche Einzonung
Mit dieser Auszonung ebnete die Gemeindeversammlung den Weg für eine flächengleiche Einzonung an der Birrfeldstrasse. Der Gemeinderat argumentierte damals, man könne im Falle eines Rechtsstreites die Einzonung Birrfeldstrasse rückgängig machen. Dieser Hinterausgang ist inzwischen zugegangen. Das Land wurde verkauft und die Gemeinde kassierte eine Mehrwertabgabe und Grundstückgewinnsteuern in Millionenhöhe.

Enteignung teilweise gutgeheissen
Die klagende Grundeigentümerin stellte ein Entschädigungsbegehren und verlangte im April 2019 für die eine Parzelle 1,080 Millionen Franken, für die andere Parzelle 2,452 Millionen Franken. Im März 2021 hiess das Spezialverwaltungsgericht als erste Instanz das Begehren teilweise gut. Es stellte fest, dass die Zuweisung des nordwestlichen Teilstücks in die Landwirtschaftszone eine materielle Enteignung bewirkt, nicht aber dasjenige des südlichen Teilstücks. Gegen dieses Urteil erhoben sowohl die Grundeigentümerin wie auch die Stadt Mellingen Beschwerde vor Verwaltungsgericht. Die Grundeigentümerin verlangte, dass auch das südliche Teilstück die materielle Enteignung erfülle. Die Stadt Mellingen hingegen verlangte, dass das nordwestliche Teilstück, keine materielle Enteignung bewirke.

Urteil trifft Mellingen hart
Das Verwaltungsgericht entschied im März 2022 zugunsten der Grundeigentümerin und wies die Beschwerde der Stadt Mellingen ab. Das Gericht kam zum Schluss, dass sich das südliche Teilstück in naher Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit bebauen liesse, was eine entschädigungspflichtige materielle Enteignung wie die Auszonung des nordwestlichen Teilstücks bewirke. Statt 3001 Quadratmeter müsste Mellingen 9626 Quadratmeter Bauland entschädigen.
Stadtpräsidentin Györgyi Schaeffer sagte damals zum «Reussbote», dass der Entscheid der schlimmste aller denkbaren Fälle sei. Das Urteil hätte für Mellingen kostspielige Folgen. Die Gemeinde Mellingen akzeptierte das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht und rief das Bundesgericht im Mai 2022 an. Der Stadtrat holte bei einem renommierten Berner Rechtsprofessor eine Zweitmeinung ein. «Wir haben grosse Hoffnungen, dass das Verwaltungsgericht in seinem Urteil Einzelheiten nicht berücksichtigt hatte», so Schaeffer damals.
Im letzten Jahr bildete die Gemeinde Mellingen eine Rückstellung von circa einer Million Franken. Die Finanzierung dieser Rückstellung erfolgte durch eine Entnahme in derselben Höhe aus der Mehrwertabgabe. Die Höhe der Rückstellung wurde in Absprache mit dem Rechtsvertreter der Stadt Mellingen festgelegt.

Benedikt Nüssli

Öffentliche Verhandlung

Die Verhandlung am Bundesgericht in Lausanne ist auf den Mittwoch, 27. November angesetzt und ist eine öffentliche Sitzung. Sie beginnt um 10 Uhr. Eine Anmeldung ist zwingend erforderlich. Durch die Anmeldung zur Sitzung entsteht kein Anspruch auf einen Platz im Sitzungssaal. Das Gericht weist darauf hin, dass die Anzahl beschränkt ist und der Zutritt zum Sitzungssaal in der Reihenfolge der Anmeldung erfolgt. (bn)

Es geht vor Gericht um eine Millionenforderung

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